Amazon – Günstig um jeden Preis

Ein Pillow Talk von Paula.

Bei Amazon zu bestellen ist in vieler Hinsicht eine Konsumsünde – keine Frage. Doch wenn ich mich wieder mal nicht rechtzeitig um Papas Geburtstagsgeschenk gekümmert habe, rede ich mir ein, dass es ein Notfall ist und bestelle erleichtert ein Buch, das noch am nächsten Tag ankommt. Den Adapter, den ich für mein Handy brauche, bestelle ich gleich mit – unnötig dafür extra loszugehen und außerdem gibt es ihn bei Amazon mit Abstand am günstigsten.

Ich weiß, dass es vielen Menschen wie mir geht. Eigentlich wollen wir faire Kaufentscheidungen treffen, doch nicht zu selten siegt die Bequemlichkeit oder der Geiz. Ich möchte niemandem einen Vorwurf machen, der*die bei Amazon bestellt, weil am Ende des Monats jeder gesparte Euro zählt. Aber für mich persönlich gilt: Obwohl ich als Studentin das Geld nicht gerade zum Fenster rausschmeißen kann, würden mir fünf Euro mehr für den Handyadapter nicht wehtun. Vielleicht müsste ich auf ein überteuertes Glas Wein verzichten. Ein Preis, den ich bereit bin zu zahlen, um in einer faireren und nachhaltigeren Welt zu leben.   Damit meine Bequemlichkeit es in Zukunft schwerer hat, habe ich mir noch einmal vor Augen geführt, welche Welt ich durch jede Amazon-Bestellung mitfinanziere: 

Eine Welt, in der Mitarbeiter*innen ausgebeutet und überwacht werden

Amazon schreibt Optimierung ganz groß. Optimierung der Mitarbeiter*innen heißt, dass diese möglichst effektiv für möglichst wenig Geld arbeiten sollen. Leistet ein*e Angestellte nicht genug, wird er*sie an einem der so genannten „Release Days“ gekündigt.1 Die Effizienz der Arbeiter*innen überprüft Amazon durch intelligente Überwachungssysteme. Stimmt der Leistungsgraph nicht, kontrolliert der*die Vorarbeiter*in, zum Beispiel ob ein*e Lager-Mitarbeiter*in zu oft auf der Toilette ist oder sich zu lang unterhält.2 Fahrer*innen der Auslieferungs-Transporter werden mittels Kameras mit biometrischer Feedback-Anzeige beobachtet.Und das ist lange nicht alles: Im November 2020 tauchten Dokumente auf, die die Zusammenarbeit von Amazon mit einer US-amerikanischen Spionage-Agentur zeigten. Die Pinkerton Spy Agency infiltrierte zum Beispiel Streiks und erstellte Berichte über anwesende Mitarbeitende sowie Journalist*innen.3

Eine Welt, in der die Reichen sich immer weiter bereichern 

Vor einigen Wochen, am Dienstag, dem 20. Juli, startete Amazon-Cheff Jeff Bezos mit seiner Privatrakete ins Weltall. Vier Minuten lang schlug er Purzelbäume im All und warf mit Skittles um sich. In der gleichen Woche wurden in der Türkei und Nordirland so hohe Temperaturen wie noch nie gemessen. Indien schlug die 2-Kind-Politik vor, um das Bevölkerungswachstum zu stoppen. Die Hochwasser in Süd- und Westdeutschland gingen durch die Medien.Währenddessen verballerte Jeff Bezos mit seiner vierköpfigen Hobby-Astronauten-Gang etwa 300 Tonnen CO2 für den kurzen Ausflug ins Weltall.5 Die Welt leidet unter den Folgen des Klimawandels und statt mit seinen geschätzten 201 Milliarden Dollar Vermögen6 Verantwortung zu übernehmen, vedrückt der reichste Mensch der Welt sich in seinem penis-förmigen Riesenspielzeug ins All. 

Dieses Bild ist symbolisch für die rücksichtslose Gewinnmaximierung, die der Konzern mittels Steuertricks betreibt: Trotz Rekordumsätzen zahlt Amazon dank Dachgesellschaften in Luxemburg & Co. in vielen Ländern kaum Steuern.Somit finanzieren Bürger*innen der Länder, in denen Amazon operiert, Bezos‘ Privatvergnügen und müssen gleichzeitig für die Klimaschäden aufkommen, die durch das unökologische Wirtschaftsprinzip seines Unternehmens entstehen. 

Eine Welt des kurzfristigen Konsums

Eine Flut von Petitionen ging durch die sozialen Medien, als ans Licht kam, dass Amazon systematisch Rücksendungen verschrottete – um Logistikkosten und Lagergebühren zu sparen. Bei so viel schlechter Publicity sah das Unternehmen sich gezwungen, Besserung zu versprechen. Wenig überraschend, dass Greenpeace Anfang des Jahres herausfand, dass Amazon sein Wort nicht gehalten hat und weiterhin munter Neuwaren vernichtet.8

Die Liste mit Amazon’s Umweltsünden ist lang: Eine Greenpeace-Studie aus dem Jahr 2017 kürte Amazon als „am wenigsten umweltfreundliche Firma der Unterhaltungselektronik“. Einer der Hauptkritikpunkte war die wenig transparente Verwendung von Recycling-Materialien und gefährlichen Chemikalien.Online-Bestellungen, die von einem ans andere Ende der Welt verschifft werden, verschaffen Amazon außerdem Platz 7 der größten CO2-Sünder auf See. Neben der Luftverschmutzung durch die hohen CO2-Emissionen, werfen Umweltschützer*innen dem Konzern die Verschmutzung der Weltmeere mit Verpackungsmüll vor.10 Hier zeigen sich die tatsächlichen Kosten für die schnellen Lieferzeiten und günstigen Preise.

Eine Welt der Monopole

Die unschlagbaren Preise und Lieferzeiten trägt nicht nur die Umwelt, sondern auch der Händler nebenan. Vor allem kleine, lokale Geschäfte haben es immer schwieriger zu überleben, weil sie durch das Preisdumping der Online-Händler nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Die Einkaufsstraßen veröden zunehmend, in den Innenstädten können sich nur noch die großen Ketten die Miete leisten. 

Die meisten dieser Fakten waren nicht neu für mich. Doch ich glaube, es ist wichtig, sich immer wieder vor Augen zu führen, dass wir mit jeder Kaufentscheidung, unsere Stimme abgeben. Eine Stimme, für die Welt, in der wir leben wollen. Wenn ich nur eine Sekunde lang darüber nachdenke, zahle ich lieber 5 Euro mehr für meinen Adapter, damit der ältere Herr nebenan seinen Handyladen aufrechterhalten kann, statt auch nur einen Euro zu Jeff Bezos nächstem Raketenflug beizusteuern. 

taz. Arbeitsbedingungen bei Amazon. Fatale Überwachung. 28.10.2020. Katharina Schipowski PANORAMA. Amazon: Der Vorgesetzte sieht alles. 15.10.2020. Sebastian Friedrich & Johann Jolmes. 3   BUISNESS INSIDER. Von Spionage bis Kameras im Lieferwagen. 07. April 2021.  Instagram: vice_de. 23. Juli 2021. br.de. Wie umweltschädlich sind Raketenstarts und Weltraumtourismus. 26.07.2021. Heike Westram. 6 Bloomberg Billionaires Index. Stand 05. September 2021  FAZ.net. Warum Amazon so wenig Steuern zahlt. 14.05.2021 Werner Mussler & Roland Lindner. 8 tagesschau.de. 20.05.2021 9  Guide to Greener Electronics 2017. Greenpeace.org. 17.10.2017  10 amazon Watchblog.de. 20.07.2021. Markus Gärtner.

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